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Kinder als Sachensucher: 8 Gründe, warum Sachen sammeln für Kinder so wichtig ist

Die ganze Welt ist voll von Sachen, und es ist wirklich nötig, dass sie jemand findet.

Astrid Lindgren

Pippi Langstrumpf, Teil 1

Vor der Eingangstür stapeln sich die verschiedensten Stöcke, Äste und Rindenstücke, die Fensterbank ist durch Steine diverser Größe blockiert, und in der Hosentasche Deines Kindes findest Du nicht mehr identifizierbare Krümel (es könnte ein Schneckenhaus gewesen sein, eine Nussschale oder ein vertrocknetes Blatt)... Kommt Dir das bekannt vor? 

Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, was da so alles als Sammel- und Aufhebenswert angesehen wird. Aber warum ist das so? Und was macht das Sammeln mit unseren Kindern? Ich habe mich das oft gefragt, und nun für Dich mal gründlich schlau gemacht. Natürlich habe ich auch ein paar tolle Lösungen für die beliebtesten Kinder-Natur-Sammlungen gefunden! 

In diesem Post erzähle ich Euch, warum Sammeln für Kinder so wichtig ist, und weshalb es sich lohnt, diese (für Eltern) manchmal nicht ganz leichten Phasen durchzustehen. In den weiteren Artikeln dieser Serie geht es dann um Tipps und Tricks, wie Ihr die Massen an Naturmaterial gemeinsam mit Euren Kindern kreativ und sinnvoll bändigen könnt.

Ich schreibe hier ganz bewusst über Natursammlungen, und nicht über das Sammeln kommerzieller Gegenstände. Natürlich kann man auch für Natursachen Geld ausgeben, aber diese werden eben nicht extra für den Konsum hergestellt.

Mir geht es in dieser Artikelserie zum einen darum, warum Kinder überhaupt Sachen sammeln, warum sammeln gut ist und nicht zuletzt, wie man die gesammelten Gegenstände so aufbewahren, organisieren und vielleicht weiterverwenden kann, dass es einerseits nicht in Chaos ausartet und andererseits das Gesammelte eine angemessene Wertschätzung erfährt.

Kinder sind vor allem Sammler
Wir Menschen sind ja bekanntlich Jäger und Sammler, und auf Kinder trifft offensichtlich vor allem letzteres zu. Sammeln scheint irgendwie zum Kindsein zu gehören. Typischerweise beginnt es so im Alter von 5 Jahren, dass Kinder diesen Trieb intensiv ausleben. Die „heiße Phase“, in der sich die Sammelleidenschaft auf (meistens/hoffentlich) eine oder zwei Rubriken beschränkt, kommt dann mit sechs bis acht Jahren, und je älter die Kinder werden, desto größere Spezialisten werden sie in ihren Sammelgebieten - vorausgesetzt, sie halten so lange durch...

Leider ist es nicht immer so, dass die Kinder das Interesse an ihrer Sammlung verlieren. Manchmal beenden wir Eltern das Sammeln: Entweder unabsichtlich, indem wir nicht achtsam und offen auf die Sammelbestrebungen der Kinder eingehen und sie so entmutigen. Oder indem wir einen Koller bekommen und der Sammlung aktiv ein Ende setzen:

Spätestens, wenn es anfängt, unangenehm zu riechen, wenn wir uns zum x-ten Mal einen dieser schönen Steine in den Fuß getreten haben, oder aber, wenn die Waschmaschine aufgrund eines bei der Kontrolle durchgerutschten Sammelgegenstands defekt ist, kommen mir zumindest gelegentlich Zweifel, ob das alles so seine Richtigkeit hat.

Wenn Du das nächste Mal in so einer Situation bist, könnte es helfen, wenn Du Dich an die guten Sachen erinnerst, die das Sachensammeln in der Natur mit sich bringt:

8 Gründe, warum Sachen sammeln gut für Kinder ist

1. Sammeln fördert die Geduld - der Kinder, und indirekt auch unsere :-)

Sammeln heißt eben, dass sich die Dinge nach und nach einfinden. Eher selten erben die Kinder eine fertige Sammlung. Meistens sind sie über einen längeren Zeitraum hinweg von der einen oder anderen Art von Objekten fasziniert, sie warten auf die passenden Gelegenheiten, auf das nächste schöne Ding. Eins kommt zum Anderen. Und so lernen sie, dass vieles eben nicht einfach über Nacht passiert, und dass Ausdauer und Beharrlichkeit sich lohnen können. Und das ist doch wirklich etwas Positives, oder?

Manchmal geben die Kinder schnell wieder auf, und das Interesse an der Sammlung erlahmt. Oft können Kinder aber überraschend hartnäckig sein und ihre Sammelleidenschaft über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten. Spannend finde ich, dass meine Tochter bei unglaublich vielen ihrer Steine noch genau sagen kann, wo und sie sie das jeweilige Stück gefunden hat. Und dass das Interesse offensichtlich auch Hochzeiten und Flautephasen hat.

Dann ist es wichtig, geduldig zu sein und nicht aus Platzgründen oder im Minimalismus-Flash auf das Entsorgen, Weitergeben oder Auflösen der Sammlung zu drängen: Liebe Eltern, seid geduldig mit den Sammlungen Eurer Kinder – es lohnt sich!

 

2. Sammeln stärkt soziale Bindungen

Meine Tochter ist immer noch sehr stolz auf den großen Rauchquarz, den sie von unseren Freund Karl geschenkt bekommen hat (den hat er schließlich extra für sie ausgesucht!). Und unser Freund freut sich, dass unsere Tochter sich so sehr gefreut hat, sodass er ihr beim nächsten Mal bestimmt auch wieder ein kleines Geschenk mitbringen wird.

Das Anlegen einer gelungenen Sammlung stärkt das Selbstbewusstsein von Kindern: Sie haben etwas Schönes geschaffen, auf das sie stolz sind. Das ist gut, und besonders hilfreich ist es, wenn dein Kind neue Freunde finden muss, wie beispielsweise in der Umbruchphase nach der Einschulung oder nach einem Umzug. Gemeinsame Interessen können Freundschaften initiieren und fördern. Und wenn Freunde und Verwandte von der Sammelleidenschaft wissen, dann freuen sich unsere Kinder sehr, wenn sie das eine oder andere schöne Stück von ihnen nahe stehenden Personen geschenkt bekommen. 

Die Kinder entwickeln auch zu den Dingen eine Gefühlsbindung und verknüpfen sie mit Erinnerungen an ihnen wichtige Menschen, oder an besondere Situationen. Daher bitte Achtung: Es ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre des Kindes, wenn die Sammlung von unwissenden Erwachsenen einfach entsorgt wird: Außenstehende können den emotionalen Wert einer Sammlung oft gar nicht erfassen.


3. Sammeln gehört zum Forschenden Lernen

Forschendes Lernen ist eine besondere Form des Lernens: Hier steht das ergebnisoffene und selbstbestimmte Erkunden eines Themas oder Gegenstands im Mittelpunkt. Statt vorgefertigtes Wissen aufzunehmen, entwickeln die Kinder mit Hilfe ihrer Sammlung ganz eigene Fragen und Vermutungen. Ich wage mal zu behaupten, dass das Anlegen einer Natursammlung zumindest in höherem Maße als das Komplettieren eines Stickeralbums aus dem Supermarkt zum Selberdenken anregt. (Auch wenn es nicht zwangsläufiger billiger ist. Nur zahlen wir vielleicht ein bisschen lieber Geld für eine besondere Versteinerung oder eine echte Seeadlerfeder – ich zumindest...) 

Beim Anlegen einer eigenen Sammlung wird diese wertvolle und nachhaltige Art des Wissenserwerbs gefördert und gestärkt. Denn bei dieser Art der Welterkundung lernen die Kinder häufig fast „nebenbei“ und viel leichter als bei fremdbestimmtem und von Erwachsenen angeleitetem Unterricht. Und das so erworbene Wissen ist in der Regel auch viel tiefer und nachhaltiger verankert. Und das kann sich auch positiv auf die Lernbereitschaft und Neugierde insgesamt auswirken. 

Forschendes Lernen fördert außerdem auch noch die Selbständigkeit und das Selbstbewusstsein der Kinder: Mit ihrer eigenen Sammlung können sie Eigenverantwortung ausüben, sich selbst als in dieser Welt wirksam und handlungsfähig erfahren, indem sie ihre Sammlung gestalten. Also: Der Haufen Steine unterm Bett und der Pappkarton mit Blättern, Moos und Rindenstückchen ist weit mehr als nur ein Sammelsurium!


4. Sammeln fördert die Sprach-, Lese- und Schreibfähigkeit

Sind die Kinder einmal für ein Thema entflammt, so steigt natürlich auch die Neugierde auf Details. Es ist überraschend, welchen fachbezogenen Wortschatz viele Kinder in Bezug auf ihr Sammelthema parat haben, und mit welch präzisen Fachbegriffen sie die Details benennen können (und wehe, wir Eltern sagen das dann falsch!). Doch nicht nur das Wortwissen ist enorm: einige Kinder beschriften ihre Sammlungen auch gerne, damit sie auch so richtig „echt“ aussehen. (Ich werde niemals die geniale Kokosnuss-Ausstellung vergessen, die eines Sonntags auf unserem Esstisch im Wohnzimmer zu besichtigen war: Mit handgeschriebenen Schildchen zu jedem Exponat...).

Die Kinder können Namen in Bestimmungsbüchern selbst entziffern lernen, und wenn das Lesen von einem inhaltlichen Interesse gestützt ist, klappt es oft auch viel besser... Sammlungen bieten unendlichen Anlass zu spannenden Gesprächen mit den Kindern; nutze diese Kommunikationsanlässe! Du kannst Dein Kind fragen, wie das unbekannte Ding heißt, Ihr könnt Euch zusammen lustige eigene Namen für die Fund- und Sammlungsstücke ausdenken (wir haben mal einen Käfer gefunden, der „Zwiebelinus Maximus“ getauft wurde). Wenn Du hier nachfragst und Dein Kind zum Erzählen bringst, dann können sich ganz wunderbare Situationen und wertvolle Erinnerungen daraus ergeben.

5. Sammeln fördert Rechenfähigkeit und mathematisches Verständnis 

Wenn das Taschengeld für einen neuen besonderen Stein, Kristall oder Mineral in dem kleinen Spezialgeschäft an unseren Ort ausgegeben wird, dann rechnet unsere Tochter ganz genau (und feilscht sogar mit den Verkäuferinnen: „Kann ich auch diese beiden hier zusammen für 5 Euro kaufen?“). Aber diese offensichtliche Rechenfähigkeit meine ich hier nicht unbedingt.

Mathematisches Verständnis zeigt sich ja schon viel früher, nämlich im Abschätzen von Mengen, im Erkennen von Mustern und Wiederholungen, im Sortieren und Abschätzen. Und genau das machen Kinder, wenn sie eine Sammlung anlegen. Das Anlegen, Ordnen und Sortieren von Sammlungen folgt ganz unbewusst einigen Grundprinzipien, die auch mathematische Fähigkeiten fördern: Erkennen von Unterschieden, Größen, Zuordnen nach verschiedenen Kriterien, das Erkennen von Mustern, Formen, Figuren und Anzahl sind nur einige Beispiele.

Da es (hoffentlich auch bei Euch) für die Kinder zumindest anfangs keine vorgegebenen Regeln gibt, denen das Sammeln folgt, haben die Kinder die Gelegenheit, sich selber auf die Suche nach Regelhaftigkeiten zu begeben, Parallelen zu erkennen und eigenständig über die Anordnung ihrer Sammlung zu bestimmen. Diese Fähigkeiten sind eine gute Vorbereitung für den Mathematikunterricht, im dem die Kinder immer wieder herausgefordert sein werden, solche Zusammenhänge zu erkennen oder herzustellen.

6. Sammeln kann den Ordnungssinn beflügeln

Ja, ich weiß: Kann, muss aber nicht. Wobei man da vielleicht noch mal diskutieren müsste, was Ordnung überhaupt ist: Dieses Wort meint hier nicht immer gleich „Aufgeräumt“...

ABER: Beim Sortieren, Kategorisieren und Bestimmen von Gegenständen ihrer Sammlungen systematisieren die Kinder ein kleines Stückchen ihrer Welt, die sie nach ihren Vorstellungen ordnen. Dass das nicht unbedingt unseren Ordnungsvorstellungen entspricht, ist dabei nur natürlich. Auch wenn das dann hinterher in unseren Augen auch nur wieder wie ein anderes Chaos aussieht – bei genauem Hinschauen lassen sich doch vielleicht bestimmte Muster erkennen.

Das immer wieder neue Arrangieren trainiert die Beobachtungsgabe und den Unterscheidungssinn, und auf diese Weise können unsere Kinder auch kritisches Denken lernen: Wo sind Unterschiede und welche Alternativen gibt es möglicherweise? Nicht zuletzt können solchen Fragen dazu führen, dass Dinge tatsächlich wieder aus-sortiert werden, oder dass die Sammlung tatsächlich aufgeräumt wird. 

Denn die Kinder sind stolz, wenn sie ihre Sammlung „schön“ präsentieren können. Die Sammlung von Strandglas bei uns zu Hause sieht jedenfalls sehr viel schicker und professioneller aus, seitdem wir auf dem Flohmarkt in einen Schwung Apothekergläser investiert haben. Aber auch ausrangierte Marmeladengläser, Perlensammelkästen aus dem Euroshop und der der gute alte Setzkasten können hier hilfreiche Dienste leisten!

7. Sammeln ist eine ästhetische Tätigkeit

Die Entscheidung darüber, was gesammelt werden soll, treffen Kinder in der Regel aus eigenem Antrieb. Es gibt einen Gegenstand (oder mehrere), die ganz einfach eine Faszination ausüben. Dieser erste Reiz ist oft ästhetisch geprägt: Eine spannende Form, eine schöne Farbe, eine besondere Oberfläche. Am Anfang einer Sammlung steht daher oft das Staunen: die Wahrnehmung von besonderen Eigenschaften, das Entdecken von Details, die über das Alltägliche hinausgehen. Kinder entdecken oft die unglaublichsten Kleinigkeiten (vielleicht, weil sie näher an den Dingen dran sind und manchmal ungefilterter wahrnehmen?).

Wenn wir in der Geschichte zurückschauen, dann finden wir die kuriosesten Naturalienkabinette, in denen die absurdesten und ausgefallensten Dingen zusammengestellt wurden. Und so manche Natursammlung, die in den Zimmern unserer Kinder zu finden ist (oder auf der Wohnzimmerfensterbank), ähnelt einem solchen Kuriositätenkabinett. Mich jedenfalls haben schon so einige Gegenstände zum Staunen gebracht, die meine Tochter gesammelt und mir gezeigt hat.

Es geht nicht nur darum, etwas zu besitzen, um es wieder und wieder hervorzuholen und zu betrachten. Sondern auch darum, immer wieder aufs Neue zu staunen. Wichtig ist hierbei: unser eigenes ästhetisches Empfinden kann ganz anders entwickelt sein als das meines Kindes. Wenn ich mich mit der von meiner Tochter angelegten Sammlung beschäftige, dann habe ich die wertvolle Gelegenheit, die Welt durch ihre Augen sehen zu können.


8. Sammeln macht einfach Spaß!

Da brauche ich gar nicht viel zu zu sagen, oder?! ;-)


Danke, dass Du diesen langen Artikel bis zum Ende gelesen hast! Jetzt hast Du die Theorie bewältigt und kannst Dich nun von praktischen Tipps insprieren lassen:

In den nächsten Posts diese Serie geht es dann um Tipps und Tricks, wie Ihr die Massen an Naturmaterial gemeinsam mit Euren Kindern bändigen könnt.

Teil 2: Steine, Mineralien, Sand & Erde

Teil 3: Blüten, Blätter, Gräser

Teil 4: Muscheln & Schneckenhäuser

Teil 5: Federn, Fell & Tierisches


Aber jetzt erstmal: Ab nach draußen! 

 

  • Ein schöner Beitrag. Ich kenne ganz genau, wovon du hier berichtest :-). Ich habe selber als Kind nicht gesammelt (zumindest erinnere ich es nicht) und konnte das Verhalten meines Sohnes nicht so recht einordnen. Jetzt verstehe ich, was dahinter steckt. Ich danke dir! Ich werde ab jetzt versuchen, es noch mehr zu würdigen.

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